Lauf Apps und Quantified Self – die Vermessung des Läuferselbst

Lauf-Apps- die Vermessung des Läuferselbst

Lauf Apps: Fluch oder Segen?

Erkenntnis durch Daten propagiert die Quantified Self Bewegung und auch im Laufsport werden technische Hilfsmittel wie GPS Uhren oder Lauf Apps immer beliebter. Was für Daten können die Lauf Apps erheben und wann kann ich mir davon eine Leistungssteigerung erhoffen?

Auf  meiner morgendlichen Laufrunde am nördlichsten Strom der Republik sind mir in diesem Sommer immer wieder Läufer mit Brustgurt, Smartphone oder GPS Uhr begegnet. Als neugieriger und interessierter Laufbeobachter wurde mir schnell klar, dass diese technischen Accessoires zur Erhebung von Daten verwendet werden. Von der Schrittzahl über die Höhenmeter bis zum Puls werden möglichst viele Daten über die sportliche Aktivität erhoben. Diese Laufdaten können dann zur Leistungskontrolle und Dokumentation herangezogen werden und über kostenlose Apps, in eine virtuelle Läufercommunity hochgeladen werden.

Richtig spannende Möglichkeiten ergeben sich für die Anhänger der Quantified Self Bewegung, wenn zusätzlich noch Schlaf, Ernährung oder Gesundheitswerte wie Blutdruck, Blutzuckerspiegel oder der Sauerstoffgehalt im Blut gemessen werden. Durch statistische Verknüpfung der Daten können dann Zusammenhänge aufgedeckt werden und streng nach der Quantified Self Parole „Erkenntnisse durch Zahlen“ generiert werden. Fragen wie: Wie beeinflusst meine Ernährung meine Schlafqualität und wie wirkt sich die Schlafqualität wiederum auf sie sportliche Leistung aus, werden dann nicht mehr der eigenen Intuition und dem Gefühl überlassen, sondern an Hand von knallharten Zahlen dargestellt.

Für den Profiläufer können sich aus Trainingsdaten wichtige Erkenntnisse über Training und Lebensstil ergeben. Ob sich die erfolgreichen kenianischen Läufer auch mit solchen „technischen Spielereien“ aufhalten oder lieber voll auf das Training konzentrieren entzieht sich meinem Wissen. Aber es soll hier gar nicht um die professionellen Läufer gehen, sondern um die so professionell ausgestatteten Hobbyläufer. Was erhoffen wir uns als Läufer von solchen Daten? Was sagen diese Daten eigentlich aus?

Lauf Apps: Welche Daten werden erhoben?

„Training ist alles“ war schon immer mein Trainer Spruch mit dem ich meine Laufkameraden davon abzuhalten versuchte, den Verlockungen von Nahrungsergänzungsmittelindustrie und Sportartikelherstellern zu erliegen, welche uns mit ihren Produkten versprechen den harten und steinigen Weg abkürzen zu können. Mehr als bei vielen anderen Sportarten gilt aber beim Laufen, das Training sich früher oder später auszahlen wird.

Mit digitalen Hilfsmitteln werden trainingsrelevante Daten zur Laufdistanz, Lauftempo, Herzfrequenz und Kalorienverbrauch (wobei mir der Sinn dieses Parameters nie eingeleuchtet hat) erhoben. Bei Nike Plus etwa ermittelt ein Bewegungssensor im Laufschuh die zurückgelegte Laufdistanz und Geschwindigkeit und sendet diese Informationen an den iPod. Per Knopfdruck kann man sich dann von seinem digitalen Motivator ein Echtzeit Feedback geben lassen: „Du bist 5 Kilometer gelaufen, dein Tempo beträgt 6min/km. Weiter so!“ Apple bietet in der Kategorie Freizeit und Fitness bereits über 12.000 Apps an. Die beliebteste Lauf-App nennt sich Runtastic und verfügt in der kostenlosen Version über GPS Aufzeichnung, Trainingstagebuch, Messung von Distanz, Zeit, Geschwindigkeit, Kalorienverbrauch, Höhenmeter und Puls.

Über einen längeren Trainingszyklus können dann Vergleichswerte errechnet werden, Trainingsfortschritte quantifiziert werden und eventuell sogar Formschwankungen nach Wettkämpfen und benötigte Regenerationszeiten erkannt werden. Ziel ist die Leistungsoptimierung und die Selbstoptimierung des eigenen Körpers, um das Maximum, gemessen an den eigenen Ansprüchen, aus sich heraus zu holen.

Die Läufercommunity

So interessant die Trainingsdaten für diejenigen sind, für die sich die Wahrheit schon seit jeher im Detail versteckt hat, so wichtig scheinen doch der Wettbewerb und direkte Vergleich mit anderen Läufern zu sein. Die Lauf Apps von Runtastic und Nike plus zum Beispiel bieten für Technikfüchse und Lauffreaks eine spielerische Gemeinschaft, in der die eigenen Leistungen präsentiert und mit Läufern weltweit verglichen werden können. Die Nike Plus Running Community soll schon sechs Millionen Mitglieder haben. Es lassen sich sogar Wettkämpfe zwischen Menschen vereinbaren, die sich noch nie gesehen haben.

Hier kommt also der Wettbewerb ins Spiel, dieses mysteriöse Phänomen, das für die Einen die Natur des Menschen ausmacht und für die Anderen eine soziale Konstruktion ist, deren bewusste Herstellung mit dem Verweis auf seine Natürlichkeit kaschiert wird. Wir wollen nun den Anhängern dieser Idee nicht allzu weit in den Dschungel nebulösen Denkens folgen. Zusammengefasst geht es um den Gedanken, dass der Mensch gar nicht als wettbewerbsorientiertes Wesen geboren worden sei, sondern erst sozial zu diesem gemacht werde und das hergestellte wettbewerbsorientierte Verhalten nachträglich als natürlich und angeboren deklariert werde.

Sei es, wie es ist, Sport ohne Wettbewerb ist für uns genauso unvorstellbar wie ein Tatort ohne Verfolgungsjagd.

Kann ich durch Lauf Apps, GPS-Uhren und andere technische Hilfsmittel eine Leistungssteigerung erzielen?

Wenn man die Daten zu den google Suchanfragen zu Grunde legt, scheint dieses die Frage zu sein, die sich einige Läufer stellen. Das Schöne an der Frage ist, dass man sie sowohl mit ja als auch mit nein beantworten kann. Ja, wenn durch die technischen Hilfsmittel die eigene Motivation steigt, das Training intensiviert wird und folglich eine Leistungssteigerung eintritt. Allgemeiner formuliert können die Daten dabei helfen Verhaltensänderungen einzuleiten.

Nein lautet die Antwort, wenn man wie Christopher Dougall in seinem Buch „Born to run“ über die Tarahamura Indianer und die Ultralangstreckenlaufszene annimmt, dass wahre Höchstleistungen im Laufsport nur durch den Spaß an der Bewegung und auf einer höheren Ebene, der Liebe zum Dasein und zu dem, was man tut, entspringen können. Die Frage lautet also, ob wir die richtigen Parameter messen und welche Parameter welchen Einfluss auf Höchstleistungen haben.

Wenn man sich mit der Quantified Self Bewegung beschäftigt entstehen noch andere spannende Fragen. Warum will ich mich überhaupt ständig weiter selbstoptimieren oder wie es ein prominenter Ratgeber ausdrückt „die beste Version meines Selbst“ erschaffen? Und was gebe ich eigentlich an Privatsphäre auf  wenn ich Gesundheitsdaten, die in Zukunft von weitreichendem Interesse werden könnten, an private Konzerne übergebe?

Wer das Thema gerne mit einem zwinkerndem Augen betrachten möchte, dem sei die lesenswerte Satire auf Runner´s World empfohlen: http://www.runnersworld.de/community/quantified-self.308000.htm

Eine andere Problematik ist, dass die Messtechnik der Lauf Apps scheinbar recht unterschiedliche Ergebnisse hervorbringt, wie dieser Welt Artikel bemängelt: http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article125583169/Lauftrainer-Apps-liefern-oft-ungenaue-Ergebnisse.html

 

 

 

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Veröffentlich am: September 22, 2014