Marathon Weltrekord bald unter 2 Stunden

Aktuelle Studien prognostizieren, dass der Marathon Weltrekord der Herren schon bald unter die magische 2 Stunden Grenze fallen wird. Eine Zeit von 01:57:58 scheint physiologisch möglich. Wir erklären, wie die Forscher zu Ihren Ergebnissen kommen und wie der Wunderläufer der Zukunft aussieht.

Dennis Kimetto: “Marathon Weltrekord unter 2 Stunden möglich”

Am 27. September 2014 pulverisiert der Kenianern Dennis Kipruto Kimetto den bestehenden Weltrekord und gewinnt in sagenhaften 02:02:57 Minuten den Berlin Marathon. Völlig ausgepumpt von dem Duell mit seinem Landsmann Emmanuel Mutai (KEN), der in 02:03:13 ebenfalls unter dem 2013 Weltrekord von Wilson Kipsang blieb, fragte Kimetto Renndirektor Marc Milde im Ziel ungläubig: „Bin ich Weltrekord gelaufen?“ Nach kurzer Erholung wagte Kimetto aber bereits einen optimistischen Blick in die Zukunft und prognostizierte, dass er schon bald soweit sei die magische 2-Stunden-Grenze anzugreifen. Bedenkt man das Berlin erst sein fünfter Marathon war, so ist dem 30-jährigen noch einiges zuzutrauen.

CC BY-SA 2.0. Diese Datei wurde von diesem Werk abgeleitet: 2016 London Marathon IMGP1796 (27322960926).jpg

Die Wettquoten darauf, dass der erste Mensch, der den Marathon unter 2 Stunden läuft, diese Zeit in Berlin laufen wird dürften dagegen nicht allzu hoch sein, wenn man bedenkt das seit Haile Gebrselassie 2007 alle Weltrekorde beim Berlin Marathon erlaufen wurden. Das extrem flache Streckenprofil und die optimalen klimatischen Bedingungen mit Temperaturen zwischen 10 und 20 Grad Ende September scheinen wie gemacht für eine Fabelzeit.

Nachdem der Marathonweltrekord in den letzten Jahren immer dramatischer verbessert wurde, scheint zurzeit die Frage nicht mehr ob, sondern lediglich wann der erste Mensch den Marathon unter 2 Stunden finisht, zu sein.

Wann fällt die 2 Stunden Marke im Marathon?

M.J. Joyner et. al. schätzen in ihrer Studie „The two-hour marathon: who and when?“, dass die 2 Stunden Grenze schon im Jahr 2021 fallen könnte. Vergleicht man Dennis Kimettos 02:02:57 Weltrekord mit den Zeiten Anfang der 50-Jahre, als die Athleten begannen sich systematisch auf Marathonläufe vorzubereiten, so sieht man, dass die Bestmarke in diesem Zeitraum um mehr als 17 Minuten gefallen ist.

Grafik-M. J. Joyner, J. R. Ruiz and A. Lucia_The two-hour marathon who and when

Marathon unter 2 Stunden schon im Jahr 2021?

In den 70-Jahren stagnierte die Leistung, aber über den gesamten restlichen Zeitraum hat sich die Marathon Bestzeit jeweils zwischen 1-5 Minuten pro Jahrzehnt verbessert. Die Leistungsexplosion seit den 1980-Jahren hängt dabei wahrscheinlich mit den steigenden Preisgeldern zusammen – Dennis Kimetto etwa erhielt in Berlin ohne Antrittsgage allein an Prämien 120.000 Euro (50.000 Euro für den Weltrekord, 40.000 Euro für den Sieg und 30.000 als Bonus für eine Zeit unter 2:04 Stunden).

Zudem hat der Laufsport sich in Kenia, dem Eldorado der Spitzenläufer, extrem professionalisiert, mit Lauf-Akademien, europäischen Trainern und Betreuern und hochkompetitiven Ausleseverfahren. Damit werden talentierte Nachwuchsläufer schon in jungen Jahren systematisch ausgebildet und betreut und die Motivation, es ihren Vorbildern nachzutun und gleichzeitig durch das Laufen Wohlstand zu erlangen, ist ungebremst.

Zurück zu der Studie von M. J. Joyners et al. und der Frage wie die Forscher zu ihrem Ergebnis gekommen sind? Um auf das Jahr 2021 (untere Linie der Grafik) zu kommen haben sie die Vergangenheitswerte der Marathonzeiten seit 1960 genommen und in die Zukunft extrapoliert. Das heißt angenommen die Entwicklung verläuft linear weiter, dann können wir mit einer durchschnittlichen Verbesserung des Weltrekords um 20 Sekunden pro Jahr rechnen. Wenn sie dagegen Vergangenheitswerte der Marathonzeiten seit 1980 in die Zukunft rechnen (obere Linie), ergibt sich nur eine jährliche Verbesserung von ca. 10 Sekunden und wir müssen uns noch bis 2035 gedulden.

Ostafrikanische Läufer dominieren den Marathon. CC BY-SA 2.0. Diese Datei wurde von diesem Werk abgeleitet: “Charge of the African brigade” by Sameer Gharat

Wie sieht der Wunderläufer aus, der unter 2 Stunden läuft?

Der erste Marathonläufer, der den Marathon unter 2 Stunden läuft, wird höchstwahrscheinlich folgende physiologische Voraussetzungen mitbringen:

  • außergewöhnliche Laufökonomie
  • geringe Körpergröße
  • angepasst an Bedingungen in Hochgebirgsregionen
  • überdurchschnittliche körperliche Aktivität bereits in jungen Jahren

Wenn man sich die heutigen Marathon Spitzenläufer und ihre sozialen und körperlichen Voraussetzungen anschaut, dann wird die 2-Stunden-Grenze von einem ostafrikanischen Läufer gebrochen werden. Der Vorsprung der ostafrikanischen Läufer wird deutlich, wenn man bedenkt, dass 41 der 50 schnellsten jemals erreichten Marathonzeiten von Läufern aus Kenia und Äthiopien gelaufen wurden.

Jedoch gab es in der Geschichte des Laufsports immer wieder Zeiten, in denen Athleten aus einer bestimmten Region den Marathon prägten und außerordentliche Erfolge erzielten. Man denke nur an die finnische Laufschule um Paavo Nurmi, oder die Australier Ron Clarke (17 Weltrekorde) und Erik Clayton, der 1967 als erster Läufer unter 2:10 Stunden blieb, oder natürlich an den legendäreren Emil Zatopek. Also lassen wir uns überraschen, vielleicht wird der zukünftige unter 2 Stunden Marathonchampion ja ein asiatischer Schafshirte, der gerade in einem abgelegenen Dorf in Nepal mit buddhistischem Karma in die Zukunft der Laufsports rennt.

Physiologische Faktoren um einen Marathon unter 2 Stunden zu laufen

Laut der Studie von M.J. Joyner et. al. gibt es drei Schlüsselfaktoren um Marathonspitzenleistungen zu verstehen:

Im Vergleich zu den europäischen Läufern haben die ostafrikanischen Spitzenläufer keine Vorteile bei VO2max und anaerober Schwelle, aber bei einer Laufgeschwindigkeit von 16,1km/h eine um 5% bessere Laufökonomie.

Der erste Mensch, der den Marathon unter 2 Stunden läuft wird also vermutlich eine außergewöhnliche Laufökonomie haben.

Bei all der Diskussion über die physiologischen Parameter dürfen wir aber nicht vergessen, dass für solch eine außergewöhnliche Leistung auch die mentale Verfassung eine tragende Rolle spielt. Du brauchst die absolute mentale Bereitschaft an deine Leistungsgrenze zu gehen, musst hochmotiviert sein, dich voll auf dein Ziel fokussieren und in schwierigen Rennsituationen emotional stabil bleiben. Oder wie Udo Bölts es bei der Tour de France 1997 gegenüber Jan Ulrich ausgedrückt hat: „Quäl dich du Sau!“

Marathon in 01:57:58

Marathon in 01:57:58

Wo liegt die menschliche Leistungsgrenze beim Marathon?

Auf der Jagd nach Rekorden tut sich zwangsläufig einmal die Frage nach der natürlichen Grenze menschlicher Leistungsfähigkeit auf. Wenn man biotechnologische Entwicklungen, die unser Menschenbild der Zukunft definieren werden – etwa Body-Enhacement und Gendoping –  einmal ausklammert, dann bleibt die Frage: Welche Bestzeit ist auf den 42,195 Kilometern möglich?

Für Zahlenfreunde und Statistiker unter Euch hat M. J. Joyner in ihrer Studie bereits 1991 das Ergebnis berechnet: 01:57:58 Stunden. Seit Churchill wissen wir natürlich, dass wir nur den Statistiken trauen können, die wir selbst gefälscht haben und die Finanzkrise hat abermals gezeigt was passiert, wenn mit falschen Annahmen Vergangenheitsdaten blind in die Zukunft extrapoliert werden. Ein schönes Zahlenspiel, das ich hier einmal vorstellen möchte ist die Studie aber allemal.

M. J. Joyner hat in der besagten Studie Daten zu den Parametern VO2max, anaerober Schwelle und Laufökonomie von Spitzenausdauerathleten zusammengetragen. Diese Daten wurden für jeden der Parameter zu 3 Schätzern modelliert: Minimum, Durchschnitt und Maximum. Zur Veranschaulichung: Der Maximalschätzer modelliert dabei die Daten der Bestleistungen für VO2max, anaerober Schwelle und Laufökonomie. Mit Hilfe einen statistischen Verfahrens, der Regressionsanalyse, können nun an Hand der Vergangenheitsdaten exakte Schätzer für die Zukunft berechnet werden. Nimmt man dabei die Daten für die Maximalschätzer kommt man zu der Weltrekordzeit von 01:57:58 Stunden.

Eine offensichtliche empirische Schwäche des Modells ist es, dass gerade die afrikanischen Weltklasseläufer zwar die beste Laufökonomie haben, bei VO2max und anaerober Schwelle aber ziemlich durchschnittlich abschneiden. Zudem ist wissenschaftlich nicht geklärt, ob sich Spitzenwerte für Laufökonomie und VO2max gegenseitig ausschließen.

Fazit: Das Ende der Fahnenstange beim Weltrekord im Männer Marathon ist noch lange nicht erreicht. Die unter 2-Stunden Marke wird in den nächsten Jahrzehnten, wenn nicht schon Jahren, fallen. Eine exakte Vorhersage zur menschlichen Leistungsgrenze im Marathonlauf liegt mit 01:57:58 Stunden vor. Der Wahrheitsgehalt dieser Schätzung muss aber als spekulativ bezeichnet werden. Wissenschaftler würden an dieser Stelle sagen: „Weitere Forschungsanstrengungen zur Ermittlung der Leistungsgrenze im Marathon sollten unternommen werden.“

Quellen:

1. Joyner, M.J., Ruiz, J.R., Lucia, A. (2011): The two-hour marathon: who and when? J. Appl. Physiol. 110: 275-277

2. Joyner, M.J. (1991). Modeling optimal marathon performance on the basis of physiological factors. J. Appl. Physiol. 70(Z): 683-687.

3. La Torre, A., Impellizzeri, F., Dotti, A. & Arcelli, E. (2006): Eine Lehre aus den afrikanischen Lauferfolgen. Leistungssport, 36 (3), 4-12.

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Veröffentlich am: October 7, 2014