Extreme Night Walking – Ultra Wandern in der Fränkischen Schweiz

Ultra Wandern in der Fränkischen Schweiz

Ultra Wandern in der Fränkischen Schweiz

Am 8. April 2008 machte ich mich, aus einer spontanen Laune heraus, mit einem Weggefährten auf, eine Ultra Nachtwanderung zu begehen. Nachtwanderung hört sich aber eher bieder an, daher nannten wir es lieber Extreme Night Walking. Ich finde der Begriff alleine gibt schon einiges her, ist ganz nah dran ein neuer Trend zu werden, unsere Red Bull Cappies liegen auch schon bereit.  Zu den nüchternen Fakten, die natürlich nur Rahmendaten der Expedition sind und im Grunde uninteressant: ,,Wir starteten um 22 Uhr in Bayreuth, Zielort war Bamberg, geschätzte Strecke 60 km, wobei sich während der Wanderung herausstellen sollte, dass es sich doch um 70 km handeln sollte, was wenn man zu Fuß statt mit dem Auto unterwegs ist durchaus einen gewaltigen Unterschied macht. Proviant war ausreichend vorhanden (Schokolade, Brötchen, Obst, Bier, Wasser und so weiter), da wir damit rechnen mussten eine Menge Energie zu verbrennen.

Die allgemeinen Verfügbarkeit von Informationen machten wir uns natürlich zu Nutze und riefen vorher die Wettervorhersage im Internet ab. Dies hätten wir lieber nicht tun sollen, da ja bekanntlich aufgrund von Informationen Erwartungen gebildet werden und wenn diese nicht erfüllt werden es auch mal zu Enttäuschungen kommen kann. Unsere Erwartung bestand in einer Regenwahrscheinlichkeit von 50% und einem Morgen, der heiter bis wolkig sein sollte. In Wahrheit fing es um 6 Uhr morgens an zu regnen und da bei einer Wanderung das Motto ,, Regen braucht keiner” gilt hielt sich unsere Begeisterung in Grenzen. Aber wie auch im Folgenden noch deutlich werden wird gehört zum essentiellen Bestandteil einer derartigen Expedition sich an Veränderungen in der Planung zu gewöhnen und auf auftretende Probleme mit Lösungen zu reagieren.

Die Relativität der Zeit beim Ultra Wandern

Zeit ist ein Begriff über den seit Menschengedenken philosophiert und nachgedacht wird und der im täglichen Sprachgebrauch der Menschen vor allem durch den Ausspruch: ,,Ich habe keine Zeit”, zu finden ist. Andere behaupten Zeit sei Geld oder „Gut Ding will Weile haben.” Dass Zeit relativ ist und eigentlich von der wahrgenommenen Zeit gesprochen werden müsste ist auch jedem bekannt. Das Ultra Wandern ist das bewusste sich Zeit nehmen um die Zeit bewusst zu erleben. Dies ist etwas, was in der modernen Welt immer seltener vorkommt, da immer mehr Zeit mit dem Konsumieren von Erlebtem verbracht wird. Das Fernsehen ist hier das Medium, das die meiste Zeit stiehlt.

Langeweile ist auch so eine Erfindung des 20. Jahrhunderts, die eng mit dem Zeitbegriff zusammenhängt und die Frage wiedergibt wie man seine Zeit aktiv gestalten kann. Die Nachtwanderung ist da quasi der Gegenpol zur Erlebnisgesellschaft. Die gefühlte Zeit vergeht bei einer Nachtwanderung viel schneller als während eines Arbeitstages. Das alleine ist wohl noch keine Erkenntnis, die für den Gewinn eines Nobelpreises berechtigen würde – der Vergleich passt trotzdem, da ja normalerweise Monotonie in der Ausführung einer Tätigkeit dazu führt, dass die Zeit langsamer vergeht, beim Laufen aber das Gegenteil passiert. Je länger man monoton einen Fuß vor den anderen setzt, desto schneller vergeht die Zeit.

Die Fränkische Schweiz – ein Paradies für Ultra Wander Touren

Die Fränkische Schweiz ist eine hügelige Region im Herzen Oberfrankens, die aus vielen kleinen Dörfern besteht. Wenn man nachts hier läuft kommt man sich in etwa so vor wie Will Smith in dem Film ,,I’m Legend”. Man sieht keine Menschen und nach Mitternacht auch keine Lichter in den Fenstern mehr. Es war eine kalte und windstille Nacht und die Ruhe, die uns umgab hatte etwas Mächtiges und gab uns eine tiefe innere Ruhe und das Gefühl, die Welt sei in Ordnung.

Als Strategie zur Bewältigung unserer Tour hatten wir diese in Etappenziele eingeteilt und das Erreichen eines Etappenziels berechtigte zu einer Belohnung. Nachdem wir Wadendorf, eine Metropole in der Fränkischen Schweiz, durchquert hatten, erreichten wir Hollfeld, was gleichbedeutend mit der Hälfte der Strecke war. In Hollfeld setzten wir uns erst einmal auf eine Bank vor der Kirche, die in bayrischen Dörfern immer im Zentrum steht, tranken ein Bier, rauchten eine Zigarette und genossen den Augenblick. Wir waren guter Dinge, da wir zu diesem Zeitpunkt – es war etwa 4 Uhr früh – noch nicht wussten, dass ab nun der deutlich schwierigere Teil unserer Reise beginnen sollte.

Vom rechten Weg abgekommen

Die Streckenmarkierungen auf unserer Route „Hochweg Fränkische Schweiz“ waren bis dahin relativ gut gewesen, so dass wir uns nur zweimal kurz verlaufen hatten, aber ziemlich schnell wieder auf den ,,Pfad der Tugend” zurückkehrten. Nachdem wir Hollfeld verlassen hatten fing es an zu regnen und an irgendeiner Kreuzung – im Nachhinein ist es schwer zu rekonstruieren – naja wir bogen irgendwo falsch ab. Die nächsten 3 Stunden irrten wir durch Wälder und über Felder. Da wir zunächst noch Kraft hatten, nahmen wir das Ganze mit Humor, die Wälder der Fränkischen Schweiz sind ja auch tatsächlich wunderschön, die Vögel erwachten und ein neuer Tag begann.

Das Leben ist keine Autobahn sondern verläuft in Wellen und gerade als wir unseren Tiefpunkt erreicht hatten begrüßte uns ein Schild, das nach Voitmannsdorf, unserem nächsten Etappenziel zeigte. Auch wenn wir in diesen letzten 3 Stunden unserem Ziel effektiv nur 6 km nähergekommen waren, machte es uns froh wieder auf dem richtigen Weg zu sein. Jedoch wurden langsam die Beine schwer, abwechselnd fingen alle möglichen Körperteile und Muskeln an zu schmerzen. Überflüssiger Ballast war jetzt tödlich, so dass wir uns schweren Herzens entschlossen, die zwei Bier, die eigentlich zum Einlauf in Bamberg getrunken werden sollten, über Bord zu werfen oder besser an die Strecke zu stellen. Vielleicht würde sich ein anderer Wanderer über diese unverhoffte Gabe freuen. Auch die Scherze über den roboterhaften Gang des jeweils Anderen, sowie die Schmerzenslaute wenn es mal wieder bergab ging wurden Zunehmens weniger. Schweigend gingen wir jeder für sich nebeneinander her.

Das Ziel außer Sichtweite

Nach weiteren 10 km erreichten wir unser nächstes Etappenziel, einige Powerriegel und Bananen sorgten für einen kurzfristigen Energie- und Motivationsschub. Nach weiteren 5 km – wir waren jetzt fast 12 Stunden unterwegs, wurden zusehends langsamer und hatten deprimierender Weise noch über 20 km vor uns – setzten wir uns hin um zu rasten. Als wir wieder aufstehen wollten, fingen die Beine an zu rebellieren, es ging nur noch im Schneckentempo vorwärts. Wir rechneten uns aus, dass wir in dem Tempo wahrscheinlich erst abends in Bamberg ankommen würden, wenn überhaupt. Auf allen vieren kriechend erreichten wir das nächste Dorf, wo wir einen Autofahrer anhielten, der Erbarmen mit uns hatte, uns nach Bamberg mitnahm und somit höchstwahrscheinlich das Leben rettete, weil in der Gegend wo wir quasi zusammenbrachen weder Busse noch Bahnen fuhren. Lerneffekte werden ja überall im Leben generiert und auch wir haben die Gründe unseres Scheiterns genauestens analysiert, so dass die nächste Expedition, wenn der Körper sich ausgeruht hat, kommen kann.

Blick in die Fränkische Schweiz

Blick in die Fränkische Schweiz

P.S. Beim zweiten Anlauf wurde die Strecke nach 18 Stunden bewältigt. Für mich waren beide Touren sportliche Highlights in meinem Leben von denen ich wohl noch meinen Enkeln erzählen werde….

P.P.S. Für eine 36 Stunden Wanderung geben manche Zeitgenossen auch gerne 590 Euro aus. Wofür bleibt ein Rätsel. Zum Extrem Wandern braucht man eigentlich nur Gleichgesinnte. Wahrscheinlich sind die schwer zu finden.

Falls Du verrückte Ideen für eine Wander Tour hast, kannst du mich gerne unter [email protected] kontaktieren. Ich bin für jede Erfahrung, die meinen Körper an seine Grenzen bringt, zu haben.

Schön Wandertouren in der Fränkischen Schweiz findest du bei fraenkische-schweiz.de und naturerlebnis-fs.de . Informationen für längere Touren über die Fernradwege bei fraenkische-schweiz.com.

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Veröffentlich am: October 5, 2012